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Lord Mayor Show 2011

Lord Mayor Show 2011

London, 11/12. November. Am 11.11.11 um 11:11 Uhr begann für viele Menschen die Narrenzeit oder ein neuer Lebensabschnitt. Auch wir 5 Widder-Zünfter (Christian Greb, Thomas Leeger, Peter Pfister, Georg Steiger und Alexander Scheurer) und unsere Frauen starteten zu diesem Zeitpunkt voll durch. Wir sassen nämlich zusammen mit weiteren rund 200 Zünftern und Zünftersfrauen an Bord eines Edelweiss-Charterflugzeugs in Richtung London. Der Flug war vollkommen ausgebucht. Der letzte Zünfter fand nur noch im Cockpit bei den Piloten auf dem Notsitz Platz. Wenn Zürcher Zünfter nach London reisen, kann es nur eines bedeuten: Es ist wieder einmal Zeit für die Lord Mayor Show. Und so war es auch. Auf Einladung des 684. Lord Mayor David Wootton reisten wir an die 785. Lord Mayor Show in Folge.

Kaum an Bord wurden wir bereits mit den zünftigen Klängen des Sechseläuten-Marsches animiert. Stimmung wollte zwar noch nicht so richtig aufkommen, durften wir doch zum Klatschen nicht aufstehen. Wir mussten angeschnallt sitzen bleiben. Dennoch kamen wir, wie für Zünfter gebräuchlich, mit einem grossen Knalleffekt in London an. Es hatte so viel Nebel in London, dass der Pilot erst im letzten Augenblick den Boden bemerkte. Wir setzen ziemlich unsanft und überraschend auf. Kaum angekommen hiess es, Gepäck in Empfang nehmen und ab in die bereitstehenden Busse. Auf der Fahrt von Luton nach London konnten wir während einer Stunde die wunderschöne Landschaft um London geniessen. Oder zumindest das, was nicht weiter als 10 Meter vom Fenster entfernt war. Weiter konnte man im Londoner-Smog beim besten Willen nicht sehen.

Collage Peter Pfister © Zunft zum Widder

Lord Mayor Show 2011

Das sportliche Programm ging unerbittlich weiter. Im Hotel angekommen, galt es zunächst einen Orientierungslauf zu absolvieren. Wo ist jetzt schon wieder das Zimmer? Muss man rechts oder links gehen? Eine verzwickte Sache bei über 1000 Zimmern das Richtige herauszufinden. Einige brauchten mehrere Anläufe und eine Schnur, um nicht dauernd im Kreis zu Laufen und doch noch das Zimmer zu finden. Zum Ausruhen war aber keine Zeit. Sofort das Zunftkostüm oder die Tracht anziehen und mit einem kleinen Zwischenspurt wieder in die Busse steigen. Es erwartete uns der Empfang des Schweizer Botschafters Anton Thalmann in der Glaziers Hall.

Diesen darf man natürlich nicht warten lassen. Nun er wartete nicht auf uns, dafür wir umso länger auf ihn. Das schöne, moderne Ambiente der Guildhall der Glasermeister, sowie die feinen Häppchen und Weine vom Star-Koch Anton Mosimann verkürzten uns die Wartezeit. Nachdem wir uns eine Stunde im „Beine in den Bauch stehen“ geübt hatten, wurden wir doch noch von Botschafter Thalmann empfangen. Nach seinen Begrüssungsworten wurde uns sofort klar, weshalb wir in den letzten Stunden einen fast schon olympischen Mehrkampf hingelegen mussten, um ihn zu sehen. London ist nächstes Jahr Olympiastadt und die Glazier-Hall wird zum House of Switzerland umfunktioniert. Wir waren quasi die ersten Schweizer Sportler, welche die Glazier Hall für diesen Zweck einweihen durften. In Anwesenheit des Botschafters konnten wir uns auch gebührend beim Commander in Chief der Household Cavallery und dessen Stellvertreter für ihre grosszügige Geste gegenüber uns Zünftern bedanken. Seit Mittwoch durften nämlich erneut ca. 30 Zünfter mit der königlichen Leibwache trainieren und unter dem Kommando des Kommandant-Stellvertreters mit den Pferden der Household Cavallery an der Lord Mayor Show teilnehmen. Wie jedoch das verschmitzte: „Ich muss gottlob nicht mitreiten.“ des Kommandanten gewürdigt werden muss, konnte nur an dem sehr O-beinigen Gang der Reitergruppe erahnt werden.

Plötzlich kam in der nun gut gelaunte Gesellschaft Hektik auf. War es tatsächlich wahr? Ja wahrhaftig, der Lord Mayor höchstpersönlich stand in Begleitung seiner beiden Sheriffs und seiner Frau in der Tür. Als allererste Amtshandlung in seinem Amtsjahr machte er uns Zürcher-Zünftern und unseren Frauen seine Aufwartung, Mit dieser Ankündigung und seiner Prognose, dass am Samstag beim Umzug die Sonne scheinen werde, egal welches Wetter draussen sei, eroberte er unsere Herzen im Sturm. Sogleich wurde er zu einem von uns.

Den Abend liessen wir dann in gemütlichem Rahmen bei einer Bootsfahrt auf der Themse ausklingen. Die anwesenden Vertreter der Londoner Liveries hatten zwar Bedenken, ob wir pünktlich an Bord der extra für uns gemieteten „Dixie Queen“ kommen würden. Aber exakt auf die letzte Sekunde waren alle an Bord. Ein typisch englisches Essen, eine Tribute Band zu Ehren der Fab Four, sowie viele spannende und herzliche Gespräche mit den unterschiedlichen Zunftvertretern aus Zürich und London liessen die Zeit wie im Fluge vergehen. Einige von uns merkten nicht einmal, dass wir zwei Stunden auf der Themse auf und ab schipperten. Müde und voller gespannter Erwartung auf den nächsten Tag sanken alle, zurück im Hotel, ins Bett.

Die fiebrige Erwartung der Lord Mayor Show war offensichtlich derart gross, dass am nächsten Morgen die ganze Zünfterschar viel zu früh in der frischen Morgenluft ungeduldig auf die Busse wartete. Als es endlich los ging, hiess es nach nur 10 Minuten Fahrt aussteigen und warten. Wir befanden uns im Aufmarschraum nahe der St. Paul Cathedral. Zwei Stunden warten waren angesagt. Bald aber fanden wir vor Ort neue Freunde. Mit uns warteten die unterschiedlichsten Members von Londoner Liveries (z.B. Paviors, Farmers, Tabacco Pipe Makers and Blenders, Insurers, Actuaries) auf Ihren Auftritt. Aber auch Guild Masters von befreundeten Liveries gesellten sich zu uns, um mit uns am Umzug teilzunehmen. Es gab viel zu reden. Für diejenigen, welchen nicht so ums Reden zu Mute war, gab es auch viel zu sehen. Vor und hinter uns standen chinesische und hinduistische Tanzgruppen. Karibische Rhythmen einer Steel-Band wärmten uns auf und eine Samba-Schule brachte bei vielen Zünftern das Blut so richtig in Wallung. Da merkte man, dass wir Metzger-Zünfter uns die Fleisch-Beschau gewöhnt waren. Wir bewahrten ab all dem als einzige ruhig Blut. Kurz vor dem Abmarsch gesellte sich auch die Reitergruppe zu uns. Es war ein prächtiger Anblick. Das hatte auch ein Panzerkommandant bemerkt. Als wir an der Reihe waren, drängte er sich frech mit seinen Panzern zwischen Harst und unsere Reiter. Geschmückt mit fremden Federn paradierte er wie ein Pfau vor uns mit unseren Reitern durch die Strassen Londons. Doch dies tat unserem durchschlagenden Erfolg keinen Abbruch. Unsere Frauen eroberten die Herzen der Londoner im Sturm. Sie verteilten 5000 Pralinen, welche von Schweiz-Tourismus gespendet und von Alt-Stapi (oder besser Neu-Papi) Elmar Ledergerber nach London gebracht wurden. Wir zeigten uns also voll von unserer Schokoladenseite. Als wir vor dem Lord Mayor David Wootton durchmarschierten und ihm die Ehre erwiesen, brach sogar wie versprochen die Sonne durch. Das nahm sogar das BBC zum Anlass während dem Umzug unseren Zugchef Felix Huber (Zunft zur Gerwe und Schuhmacher) zu interviewen. So kamen wir auch prominent vor Millionen Zuschauern im Fernsehen. Kaum waren wir so richtig warm gelaufen, hiess es plötzlich „Mittagspause“. Der gesamte Umzug wurde auseinandergenommen und verpflegt. Ehrlich gesagt, hätten wir gut auf den nach nichts schmeckenden Plastik-Food verzichten können. Wir wären lieber weiter marschiert. Nach einer Stunde Mittagspause ging es weiter. Der Rest des Umzuges verlief ereignislos. Wir genossen ganz einfach das Bad in der Menge. Nur die Blumen fehlten, sonst hätten wir uns wie am Sechseläuten gefühlt.

Lord Mayor Show 2011

Am Samstag-Abend stand dann der dritte und letzte Höhepunkt auf dem Programm. Wir wurden zu einem klassischen Dinner in der Plaisterers Hall geladen. Beim Apéro hatten wir die Gelegenheit die in den letzten Tagen geschlossenen Freundschaften mit den Mitgliedern der Londoner Liveries weiter zu vertiefen. Mit Fanfarenklängen wurden wir dann in den prächtigen Zunftsaal gebeten. Die Decken strotzen nur so von Stuck. Uns wurde eindrücklich das Können unserer Gastgeber den Plaisterers vor Augen geführt. Das Abendessen selber war ein feines 4-Gang-Menu mit Surprise. Die Überraschung bestand darin, dass das Servierpersonal offensichtlich durch unsere Anwesenheit derart überfordert war und uns den 4. Gang vor dem 3. Gang servierte. So assen wir für einmal das Dessert nicht zum Schluss, sondern mitten drin. Auch eine spannende Erfahrung, aber nicht wirklich weiterzuempfehlen. Im Anschluss an das Essen kam der offizielle Teil. Es wurde Toasts auf die Queen, unsere Bundespräsidentin und den neuen Lord Mayor ausgesprochen. Unser Stadtrat Martin Vollenwyder richtete einige launige Worte an unsere Londoner Gastgeber, welche vom Chief Commoner Richard Regan beantwortet wurden. Als letzter Redner gab Hr. Philipp Welti (Zunft zur Waag) eine zoiftige Rede zum Besten. Er nahm Bezug auf die rund 20 „Occupy“-Aktivisten, welche an der St. Paul Cathedral friedlich demonstrierten. Sie standen dort mit einem Schild „Humantiy before Profit“. Er meinte, wir Schweizer seien den Engländern schon weit voraus. Unsere Banken seien bereits daran ihren Profit in die USA und nach England zu transferieren. So müssten wir, da wir kein Profit mehr haben, uns jetzt schon mit einer neuen Humanity auseinander setzen. Etwas anderes blieb uns gar nicht übrig.

Abgerundet wurde der Abend mit der „Rosewaterbowl“-Zeremonie und dem Reichen des „Loving Cup“. Zu guter Letzt durfte auch der Sechseläuten-Marsch nicht fehlen. Aber irgendwie hatte niemand den Bläsern gesagt, was dieser Marsch bei uns Zünftern auslöst. Völlig verdutzt standen die Bläser auf der Tribüne. Nur dank ihrer grossen Klasse konnten sie vor Erstaunen überhaupt noch weiterspielen Der Saal brodelte richtig. Doch die Emotionen wallten nur für einige Minuten auf. Punkt 23:00 Uhr standen plötzlich die Herren und Damen am Ehrentisch auf und verliessen den Saal. Das Essen war fertig. Die meisten Zünftern taten es den Ehrengästen gleich. Sie schienen sich gewöhnt zu sein, dass um 23:00 Uhr Schluss ist. Nur wir Widder-Zünfter sassen da und warteten vergeblich auf Mehlsuppe und Wienerli. Als diese einfach nicht kamen und das Licht im Saal ausgemacht wurde, kehrten auch wir am frühen Abend ins Hotel zurück. Ein wunderschöner Aufenthalt in London nahm ein etwas abruptes Ende.

Bericht Peter Pfister © Zunft zum Widder

 

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